6. Zwischenbilanz

 

Als Initator einer Solaranlage für ein Mehrparteienhaus in Wien ziehe ich nach mehr als neun Monaten (im Herbst 2023) intensiver Beschäftigung mit dem Thema folgene Bilanz:

„Ich bin theoretisch schon ziemlich weit gekommen,
stehe aber praktisch noch ganz am Anfang!“

 

Eine PV-Anlage für ein Mehrfamilienhaus ist nach wie vor fast „ein Ding der Unmöglichkeit“. Im Gegensatz zu einer Anlage für ein Einfamilienhaus ist es hochkomlex und das liegt am wenigsten daran, dass die Anlage technisch größer ist.

 

Neuland

Der Umstieg auf erneuerbare Energie ist für alle Neuland und natürlich auch für die, die Regelungen dafür ausarbeiten, die Gesetze einbringen und beschließen. Es ist nicht anzunehmen, dass sie eigene praktische Erfahrungen haben, gar nicht haben können. Die Folgen der Vorgaben sind auch nicht sofort abchätzbar, manche Auswirkungen wird man vielleicht erst nach vielen Jahren sehen können.

Immer wieder sind mir beim Zusammentragen der Informationen und dem Durchdenken, was sie für mein Projekt bedeuten würden „Ungereimtheiten“ aufgefallen.

Besonders bei gesetzlichen Regelungen und Vorgaben auf staatlicher oder Landesebene sind mir einige Dinge aufgefallen, die ich für nicht wirklich durchdacht halte. Manche Bestimmungen sind durchaus gut gemeint und für eine bestimmte Zielgruppe genau richtig.

Leider ist anscheinend eine Gemeinschaftsanlage für ein Mehrparteienhaus immer noch ein „Sonderfall“, der kaum berücksichtigt wird. Hilfreiche Regelungen für andere (Einfamilienhäuser und Erneuerbare Energie Gemeinschaften am Land) scheinen sich hier gradezu kontraproduktiv und hemmend bis verhindernd auszuwirken. Mir scheint dabei manches nicht wirklich durchdacht zu sein. Maßgeschneiderte Lösungen für die Einen können leicht Andere benachteiligen.

Bei meinem Versuch der Umsetzung, bin ich immer wieder über Vorgaben „gestolpert“, bei denen ich gedacht habe „In der Praxis funktioniert das nicht!“ und leider auch „Das ist ja in meinem Fall richtig ungerecht!“ bis zu „So wird das nichts!“.

Gerne hätte ich dann direkt angerufen und gesagt „Liebe Frau Umweltministerin, dieses oder jenes Gesetz berücksichtigt Gemeinschaftsanlagen viel zu wenig und benachteiligt sie gradezu, schauen Sie sich das doch mal an und ändern Sie das bitte!“ oder „Lieber Herr Bürgermeister, in der Stadt mit den Geschoßbauten funktionieren Regelungen, die am Land super sind, leider gar nicht. Da muss die Stadt Wien dringend nachbessern!“

Das geht natürlich nicht, aber es ist frustrierend, wenn man als Bürger in einem Beratungsgespräch mit einem Referenten oder einer Sachbearbeiterin spricht und sie oder er sagt „Ja, sie haben recht, aber da kann man nichts machen, das ist leider so!“

Grade bei einem so wichtigen Vorhaben wie der Energiewende, wo das Gelingen für uns und unsere Kinder so notwendig ist, wäre ein funktionierendes Feedbacksystem zwischen „Oben“ (diejenigen, die die „Regeln“ machen) und „Unten“ (die, die von der Praxis her kommen) wünschenswert.

Was genau stößt bei mir auf Kritik?

 

Die Förderung

Bei der Förderung wird vor allem der Bau „der Anlage“ unterstützt. Leider nach dem Prinzip je größer die Anlage, desto weniger Fördergeld (im Verhältnis). In der Praxis heißt das, eine Bevorzugung von Eigenheimen vor Gemeinschaftsanlagen. Es wird nicht berücksichtig, wenn mit einer größeren Anlage mehr Parteien versorgt werden.

Ich finde, jede Förderung, die die Energiewende vorantreibt ist gut und richtig und ich bin auch für die großzügige Förderung von Solaranlagen, ob klein oder groß. Dass mit Gemeinschaftsanlagen mehrere Haushalte versorgt werden, wird zur Zeit nicht berücksichtigt!

 

Planungsaufwand

Die Planung für ein Mehrparteienhaus ist aufwendig und man braucht für eine Gemeinschaftsanlage schon früh einen guten Plan, weil man die anderen Teilnehmer überzeugen muss. In dieser Phase gibt es keine finanzielle Förderung, weder vom Staat noch vom Land. Auch die Beratung war, als ich Mitte 2022 bei den Beratungsstellen angefragt habe eher reduziert und nicht besonders hilfreich.

Die Notwendigkeit, bei Gemeinschaftsanlagen Planung vom Bau der Anlage zu trennen und „vorzuziehen“, wird nicht berücksichtigt, die Planung kann nicht getrennt vom Bau der Anlage beantragt werden.

Der „Behördenweg“ ist besonders in Wien ausgesprochen kompliziert, viele unterschiedliche Stellen sind zuständig, von allen braucht man die Zustimmung. All diese Genehmigungen einzuholen ist zeit- und resourcenaufwendig. Für den Laien unüberschaubar und völlig überfordernd, allein schon wegen der „Behördensprache“ und den vielen Gesetzen und Bestimmungen, die man kennen und einhalten muss.

Die Terminplanung des Baus ist abhängig vom Vorliegen aller Genehmigungen und die verschiedenen Behörden arbeiten mit unterschiedlicher Geschwindigkeit. Wenn eine der unzähligen notwendigen Unterlagen vergessen wurde oder nicht vollständig ist, steht „das ganze Werkl“.

Professionisten scheuen davor zurück und lehnen daher Aufträge für ein Mehrfamilienhaus gleich ab oder verrechnen den Aufwand, was das Projekt teurer macht.

Hinzu kommt die Tatsache, dass man, um mehr Stromertrag vom „zu kleinen Dach” zu erhalten, teurere Hochleistungskomponenten einsetzen muss.

 

Steuerliche Ungleichbehandlung

Kleinanlagen bis 30 kWp werden seit Ende 2022 von Umsatzsteuer und Einkommenssteuer für ins Netz eingespeisten Strom freigestellt. Größere Anlagen zahlen weiterhin Steuern. In der Praxis heißt dass, eine Familie mit Eigenheim erntet von ihrer Anlage im Jahr etwa 30.000 Kilowatt Stom und verbraucht für Haushaltsstrom, Heizung und E-Mobilität viel Strom. Trotzdem bleibt genug übrig, um ihn steuerfrei zu verkaufen und sie hat ein nettes Nebeneinkommen.

Eine Gemeinschaftsanlage hat schnell mehr als 30 kWp und zahlt damit Steuern für den eingespeisten Strom. Das Problem ist dabei, dass für die Einnahmen aus dem Überstrom die Steuern berechnet und abgeführt werden müssen, auch wenn sie noch so gering sind.

Dazu braucht eine Gemeinschaft einen Dienstleister (Steuerberater) und das sind ständig anfallende Extrakosten im laufenden Betrieb.

 

Förderung des „Stromverkaufs”

Auch bei den Bestimmungen für Erneuerbare Energiegemeinschaften (EEG) kommt es zu einem Ungleichgewicht zwischen Eigenheim und Mehrparteienhaus. EEGs funktionieren auf dem Land anscheinend sehr gut. Neugründungen und Zusammenschlüsse scheinen dort zu boomen, viele Gemeinden in Niederösterreich haben schon eine oder mehrere EEGs. Der Grund dafür ist, dass viel Überstrom unter den Teilnehmern verteilt werden kann und dass innerhalb einer Trafostation oder eines Umspannwerkes viele Teilnehmer durch verringerte Netzgebühren günstiger versorgt werden können.

In der Stadt erzeugen Mehrparteienhäuser mit ihren „zu kleinen Dächern“ in der Regel kaum Überstrom, haben also nichts zu verkaufen. Eine EEG zu gründen lohnt nicht.

Seltsamerweise erfolgt diese Form der Förderung von Solaranlagen durch die Reduktion der Netzgebühren , also über den Verkauf von Strom. Hat man nichts zu verkaufen, braucht man auch keine EEG und fällt um diese Gebührenreduktion um. Dazu kommt, dass die Netzbetreiber mit dieser Regelung überhaupt keine Freude haben. Ein Verzicht auf die Umsatzsteuer bei „nicht gewerblichen“ Solar-Anlagen würde vermutlich ähnliche Kosten verursachen. Auch das spräche für die Abschaffung von USt und ESt für nicht gewerbliche Anlagen.

Wenn eine Gemeinschaftsanlage für ein Mehrparteienhaus doch viel Strom erzeugt, den sie verkaufen kann, kann es unter Umständen sinnvoll sein, eine EEG zu gründen. Der Gründungsprozess eines solchen Vereins oder einer Genossenschaft ist sehr komplex, mit viel zeitlichem Aufwand, aber auch mit den Kosten für Beratung und Verträgen verbunden. Eine eigene Förderung für die Gründung einer EEG könnte hier unterstützen.

 

Stom als generelle Energiequelle

Aus „historischen“ Gründen, weil bis jetzt Energie aus diversen Quellen genutzt wurde (Kohle, Öl, Gas, Strom) und Strom nur eine untergeordnete Rolle spielte, ist der Blick noch nicht „holistisch“. In Zukunft wird aber unsere ganzer Bedarf an Energie vorwiegend durch Strom oder mit Unterstützung von Strom gedeckt werden: Haushaltsstrom, Warmwasser, Heizung und Mobilität. Die Solaranlage liefert nicht nur den Strom für den E-Herd, die Waschmaschine und die Beleuchtung in der Wohnung, sondern wird in Verbindung mit Wärmepumpen auch die Heizung und das Warmwasser liefern und hierbei einen ungleich höheren Wirkungsgrad erzielen, als bisherige Systeme.

Wärmedämmung, Erdsonden und PV-Anlagen sind dabei zusammen zu „denken“ und finanziell „im Verbund“ verstärkt zu fördern, bürokratische Hürden, zB bei der Nutzung von öffentlichem Grund, sind möglichst schnell zu beseitigen.

Ob E-Mobilität hingegen so stark gefördert werden sollte, ist zumindest aus der Sicht des Großstädters nicht ganz einsichtig, wo heute schon die Sinnhaftigkeit und Leistbarkeit des Individualverkehrs hinterfragt wird. Die Lebensqualität in zunehmend wärmer werdenden Stadtkernen zu verbessern, nur durch mehr Grün und Verzicht auf das eigene Auto möglich scheint und viele junge Leute heute schon nicht einmal mehr einen Führerschein haben.

 

Blick in die Zukunft

Der Blick in die Zukunft von 2040, wenn die Energiewende geschafft sein sollte, wirft einige Fragen auf, wie der gesellschafliche Zusammenhalt dann ausschaut, wenn der jetzt eingeschlagene Weg seine vollen Auswirkungen zeigen wird.

 

Fazit

 

Was fehlt kurzfristig:

Kurzfristig wäre die Abkehr vom Blick auf „die Anlage“ hin zur Sicht auf die Anzahl der Nutzer sinnvoll, um „Gemeinschaftsanlage“ fairer zu behandeln.

 

Was braucht es langfristig:

Gesamtgesellschaftlich ist vermutlich noch ein großer Schritt mehr notwendig: um die Chancengleichheit für alle Bürger langfristig sicherzustellen, reicht es nicht, nur einen Teil der Bevölkerung zu unterstützen, damit sie sich energieautark machen können und alle ihre Bedürfnisse (und mehr) an Energie „durch Strom vom eigenen Dach“ fast zum „Nulltarif“ erfüllen können.

[WEITER]

 

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