1. Die Idee

 

Schon seit langem „liebäugelte“ ich mit eine Solaranlage am Dach unseres Mehrparteien-Hauses im neunten Bezirk von Wien.

„Unser Haus“ ist ein relativ großes, sechsstöckiges Wohnhaus aus dem Jahr 1967 und steht im 9. Bezirk von Wien. „Wir“ sind eine Eigentümergemeinschaft von ungefähr 50 Parteien. Ich habe mein Atelier im Dachgeschoss und bin daher mit dem Dach bestens vertraut.

Vor einigen Jahren wurde das Haus Thewosan saniert, also wärmegedämmt. Damals wurde auch das Dach neu gedeckt und isoliert. Vorher waren die Wohnungen im Dachgeschoss im Winter bei starkem Wind nicht warm zu kriegen und im Sommer wurde es durch die zunehmende Sonneneinstrahlung und die von Jahr zu Jahr
mehr werdenden Tropennächte unter dem Dach unerträglich heiß. Ich hatte also aus eigener Erfahrung schon einen kleinen Eindruck vom Klimawandel.

Ich habe mich damals als Eigentümer bei der Thewosansanierung ziemlich stark eingesetzt und bin der Hausverwaltung mit meinen Vorschlägen und meiner Kritik, glaube ich, ziemlich auf die Nerven gegangen. Letztendlich ist es aber gelungen, aus einem Null-Acht-Fünfzehn Projekt ein für unser Haus maßgefertigtes Projekt mit deutlich verbesserten Wärmewerten zu machen. Leider ist es mir nicht gelungen, dass das Dach bei der Neudeckung für eine Solaranlage optimal vorbereitet wurde.

 

Frühjahr 2022

Im Frühjahr 2022 kam dann einiges zusammen und die Zeit war endlich reif für das Projekt „Strom vom eigenen Dach“.

Der entscheidende Auslöser war natürlich der, durch den Einmarsch Russlands in der Ukraine, verrückt spielende Energiemarkt und damit verbunden der in die Höhe schießende Strompreis.

Aber auch andere Faktoren machten das Frühjahr 2022 ideal, um endlich eine Solaranlage in Angriff zu nehmen.

Besonders wichtig war die Novelle des Erneuerbare Ausbau Gesetz (EAG) im Herbst 2021. Bis dahin war es nicht möglich, den selbst erzeugten Strom in einem Mehrfamilienhaus an die Wohnungen der Bewohner zu verteilen. Nur die „Hausanlage“, das Ganglicht, die Lifte und die hauseigene Waschmaschine im Keller durfte versorgt werden. Der überschüssige Strom musste ins Netz eingespeist werden und wurde vom Netzbetreiber mit wenigen Cent abgegolten. So eine Anlage rechnete sich nicht und daher machte es auch niemand.

Auch technisch war eine Versorgung der einzelnen Wohnungen sehr schwierig, da jede Wohnung mit einem eigenen Kabel mit der Anlage verbunden werden musste, um den Strom in die Wohnung leiten und abrechnen zu können. Bei etwas größeren Häusern würde das zu einem gigantischen „Kabelsalat“ führen, der au8erdem unbezahlbar wäre. Erst durch den Einbau von neuen digitalen Stromzählern, sogenannten Smart-Metern, bei jeder Wohnung konnte dieses Problem sehr elegant gelöst werden.

 

Durch den gestiegenen Strompreis und die Möglichkeit der ÖMAG den überschüssigen Strom (Überstrom) zu Marktpreisen zu verkaufen sank der Zeitraum, in dem sich eine Solaranlage rechnet, plötzlich auf sieben bis zehn Jahre, oder sogar weniger.

Bis zum Frühjahr 2022 waren auch die Preise für die Komponenten einer Anlage kontinuierlich und zum Teil stark gefallen. Durch technische Weiterentwicklung war gleichzeitig die Leistungsfähigkeit vor allem der Panele von Jahr zu Jahr deutlich verbessert worden.

All diese Faktoren lösten gradezu einen Boom bei der Nachfrage nach Solaranlagen aus und schnell kam es zu Engpässen und damit verbunden auch zum ersten Mal seit Jahren wieder zu Preissteigerungen. Bei dem Rennen um die letzten verfügbaren Kapazitäten besonders bei den Anlagebauern, den sogenannten Solateuren, waren die Eigenheimbesitzer klar im Vorteil.

Kleinanlagen sind für einen Profi relativ überschaubar: die Dächer sind ähnlich, die Bauabschnitte sind immer wieder gleich, die Vorschriften sind unkomplizierter, das Verfahren ist bekannt und man hat es nur mit einem Ansprechpartner zu tun. Und manchmal bekommt man das Geld schon bei der Auftragserteilung.

Eine Solaranlage für ein Einfamilienhaus war also eine einfache Sache und die Solateure freuten sich über die plötzliche und unerwartete große Nachfrage. Sorgen machten ihnen nur die unsicheren Lieferketten, die den Nachschub von Solarpanels zu einem Glücksspiel machten, die gestiegenen Preise, die eine Vereinbarung zum Fixpreis zu einem unkalkulierbaren Risiko werden ließ und vor allem der Mangel an Mitarbeitern und neuem geschultem Personal.

Die Solateure konnten sich vor Aufträgen kaum retten und wussten nicht, wie sie den Ansturm bewältigen sollten.

Keine guten Karten, wenn man mit einer Solaranlage für ein Mehrparteienhaus daherkommt. So eine Aufgabe ist um Eckhäuser komplexer als ein Einfamilienhaus und erfordert erheblich mehr Know-how. Da muss sich auch der Profi richtig reinarbeiten und, weil jedes Dach anders ist maßgeschneiderte Lösungen austüfteln. Da machen schon die ersten Schritte viel Arbeit und man weiß nicht einmal, ob aus dem Projekt je etwas wird und die Eigentümer letztlich zustimmen.

Außerdem ist das Bauverfahren in Wien ziemlich kompliziert. Es gibt eine Menge Behördenwege und vielleicht auch lästige Nachbarn, die das Projekt verhindern wollen oder zumindest verzögern können.

Für so ein „Großprojekt“ gab es im Frühjahr 2022 daher kaum Erfahrung, weil ja vorher die Nachfrage gefehlt hatte. In Niederösterreich mit seinen vielen Einfamilienhäusern waren schon in den Jahren davor viele Photovoltaik-Anlagen gebaut worden, Niederösterreich war der „Spitzenreiter“ bei privaten Solaranlagen. Wien war in der Statistik im Vergleich in Österreich weit hinten.

In Wien sind auch kaum Solateure beheimatet, bei der Internetsuche landet man daher schnell in Niederösterreich oder anderen Bundesländern. Dann kommt eine Menge Wegzeit dazu und größere Projekte können kaum von einem Solateurbetrieb komplett abgewickelt werden. Die Unterkonstruktion wird zB von einem Montageunternehmen erstellt. Mehrere Firmen zu koordinieren ist schwieriger.

Betriebe in NÖ kennen sich mit den Bestimmungen in Niederösterreich aus, die Wiener Bauordnung ist anders und ihnen oft nicht so geläufig. Kleinere Firmen – die „große Masse“ der Solateure sind Kleinbetriebe – haben gar nicht die „Manpower“ für ein zusätzliches Projekt in Wien. Viele Solateure lehnten daher meine Anfragen bedauernd ab.

In Wien wurden aus all diesen Gründen bisher kaum Solaranlagen installiert, wenn dann in den Randbezirken. Eher nicht in den dicht verbauten inneren Bezirken. Eine Großanlage auf einer Fabrikhalle mit einem Eigentümer und einem Ansprechpartner vielleicht, aber eine Solaranlage mit fünfzig Miteigentümern war sozusagen „Neuland“.

Sehr unsicher, bei großem Risiko, davon lässt ein gewiefter Unternehmer besser die Finger, zumal auch das Know-How gar nicht vorhanden war, gar nicht vorhanden sein konnte.

Hier Auszüge aus Dialogen mit den Profis bei der ersten Kontaktaufnahme:

DIALOGE AM TELEFON
„Haben Sie denn schon die Zustimmung der anderen?“
„Nein, die wissen noch gar nichts davon“
„Aha!“ „Wissen Sie, die Baugenehmigung in Wien…!“,
vielsagender Seufzer.
„Wie stellen Sie sich das vor?
Da müssen Sie ja alle Wohnungen mit der Anlage verkabeln,
das geht ja gar nicht, das können Sie gar nicht zahlen.
Vergessen’s des!“
„Aber mit Smart Metern…?“
„Vergessn’s des!“
„Strom an alle Hausparteien verteilen, wie soll das gehn,
machen Sie sich erstmal schlau!“

 

Nicht grade aufbauend und ermunternd. Andere hätten an dieser Stelle ihr Projekt schon begraben. Mich hat es eher motiviert. Gleichzeitig habe ich gewusst, nur mit dem notwendigen einschlägigen Know-how kann ich mitreden und werde von den „Profis“ ernst genommen. Dann kann man mir keinen veralteten Schmarrn erzählen.

Also hab ich „mich schlau gemacht“ und dabei ist heutzutage das Internet eine unschätzbare Hilfe.

[WEITER]

 

 

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